Herr Brodtmann, was muss die europäische Politik tun, um das Eis wieder zu brechen? Helfen mehr Strafen oder sollte eine konfliktfreie Lösung mit den USA angestrebt werden?
Aus unserer Sicht wäre der gangbarste Weg im Disput mit den USA ein neuer Anlauf für ein Freihandelsabkommen. Auch wenn TTIP vorerst gescheitert ist, darf das den Blick nicht dafür verstellen, dass ein Freihandelsabkommen mit den USA sinnvoll wäre. Der nächste Anlauf sollte sich ganz spezifisch auf die Dinge beschränken, die akut sind und wenig Anlass zum Streiten bieten, damit man schneller und besser voran kommt - nämlich den restlichen Abbau von Zöllen.
Wir müssen zudem vor allem die technischen Hindernisse auf dem Weg zum freien Handel beiseite räumen.
Wir hören Signale aus den USA, dass man über ein solches "kleines" Freihandelsabkommen für industrielle Belange sprechen könnte. So würden wir das Problem an der Wurzel packen.
Angenommen, die europäische Industrie muss langfristig mit den neuen Zöllen leben. Welche langfristigen Folgen wird das für die Wirtschaft haben?
Die Strafzölle haben die Eigenschaft, dass sie sich hochschaukeln - wenn es irgendwo anfängt, wachsen die Strafen an allen Enden der Erde. Das ist genau die Gefahr, die wir abwenden wollen. Deswegen sollte man diesen Teufelskreis von Anfang an durchbrechen und andere Wege einschlagen, etwa in Form des eben erwähnten kleinen Freihandelsabkommens. Es ist richtig, dass bestimmte Zölle in den USA und Europa unterschiedlich hoch sind, etwa in der Auto-Branche. Um das ganze Thema abzukürzen, müsste man eigentlich über einen substanziellen Handelsbarrieren- und Zollabbau sprechen. Das kann am ehesten geschehen, wenn man sich nicht gegenseitig droht, sondern miteinander ernsthaft verhandelt.
Gibt es in der deutschen Wirtschaft trotz der kurzen Wirkungszeit der Zölle schon Tendenzen?
Bisher sind die US-Zölle nur gegen China erhoben worden, das schlägt sich auf uns noch nicht wirklich durch. Auch die Betroffenheit der einzelnen Betriebe wäre sehr unterschiedlich. Aber wir Maschinenbauer haben durchaus ein Damoklesschwert über unseren Köpfen, weil ein Handelskrieg nicht ausgeschlossen ist. Im Moment läuft der Handel mit den USA recht gut. Die USA sind für den Maschinenbau einer der wichtigsten Handelspartner und unser größter Einzel-Absatzmarkt. Insofern sind wir sehr daran interessiert, weiterhin offene Märkte auf beiden Seiten zu haben.
Wird der Handelskrieg auch indirekte Auswirkungen auf andere Wirtschaftszweige haben?
Das kommt darauf an: Wie entwickelt sich das Wettrüsten in puncto Zoll weiter? Lautet das Motto "Wie du mir, so ich dir", dann würde als nächstes die EU-Kommission nach Sanktionsmöglichkeiten suchen. Das würde wiederum die USA herausfordern. Wie das enden könnte, will ich mir gar nicht vorstellen. Indirekte Folgen eines Handelskriegs sind also durchaus denkbar.
Inwiefern werden die Strafzölle den USA selbst weh tun? Wird der Ansatz "America First" dem Land teuer zu stehen kommen?
Das wird so sein. Alle Strafzölle oder Handelsbehinderungen, die ein Land erlässt, nützen der heimischen Industrie höchstens kurzfristig. Es entsteht eine Wettbewerbsverzerrung dadurch, dass Angebote aus dem Ausland teurer werden. Die heimische Industrie ruht sich unter diesem Schutzraum aus und verliert an Wettbewerbsfähigkeit. Außerdem müssen viele Produkte trotz der Zölle weiterhin aus dem Ausland bezogen werden, weil sie im Inland nicht in benötigter Qualität hergestellt werden. Insofern sind Schutzmauern immer zum Nachteil der Länder, die sie errichten. Deshalb sollte man immer die Finger davon lassen. Das Pendel schlägt irgendwann zurück und dann wird es für die heimische Wirtschaft teuer.