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14.07.2015

© Verlag Stahleisen GmbH

Neuer Gusswerkstoff mit gleicher Festigkeit, aber geringerem Gewicht

Ein neuer Werkstoff der Krefelder Gießerei Siempelkamp verspricht, die Gussbauteile für Windenergieanlagen (WEA) 15 % leichter zu machen. Möglich machen das ein innovatives Gießverfahren und neue Berechnungen zur Auslegung des Materials. Das neue siliziumbasierte Gusseisen mit Kugelgrafit namens SiWind soll künftig für den Bau von leichteren Maschinenträgern eingesetzt werden. Siempelkamp beziffert die Gewichtseinsparungen auf 15 %, was bei einem Maschinenhaus der Multimegawattklasse leicht 50 t ausmachen kann.


„Damit können wir Windenergieanlagen mit höherer Leistung bei gleichem Gewicht bauen“, erklärt Peter Mikoleizik von der Abteilung F&E der Siempelkamp Giesserei. Der Vorteil: „Unsere Kunden können gewichtstechnisch ihre neuen 3-MW-Anlagen weiter mit der vorhandenen Produktionsperipherie der alten 2-MW-Anlagen herstellen. Außerdem werden zusätzliche Kosten für größere Mobilkräne eingespart.“ Die gleichen Logistikvorteile würden sich auch bei den größeren Offshore-Anlagen ergeben.

In der Gondel einer Windenergieanlage bestehen je nach Hersteller der Maschinenträger, die Achszapfen, die Nabe und in einzelnen Fällen auch die Adapter zu den Rotorblättern aus Gusseisen. Besonders die Schwingungsbelastung für das Material ist hoch. Im Schadenfall durch Materialermüdung muss dem Bruch eine deutlich sichtbare Verformung vorausgehen, damit es nicht zu unerwarteten Abrissen mit möglicherweise gefährlichen Auswirkungen kommt. Genau das hat bisher den Einsatz von höherfesten aber spröden Sorten begrenzt: Die meisten  Legierungselemente machen den Guss zwar härter und fester, aber eben auch spröder, erklärt Mikoleizik. Damit schieden viele legierte Werkstoffe für kritische Teile in WEA aus.

Mit SiWind ist es den Krefeldern gelungen, einen höherfesten Werkstoff herzustellen, der gleichzeitig ausreichend verformbar bleibt. „Die eigentliche Innovation besteht darin, den Werkstoff fehlerfrei zu gießen.“ Dabei habe das Unternehmen auf langjährige Erfahrung beim Guss dickwandiger Bauteile zurückgreifen können – das wohl bekannteste Produkt des Unternehmens, der Castor-Behälterkörper, hat eine Wanddicke von bis zu 60 cm. „Bei dicken Komponenten ist die Abkühlungsdauer ein Problem. Unsere Kunst ist es, dafür zu sorgen, dass der Werkstoff ohne Poren und in der bestmöglichen Mikrostruktur erstarrt, damit er die benötigten Eigenschaften erhält. Fehler während der Erstarrung führen häufig zu schwachen Festigkeiten und sprödem Bruchverhalten“, so Mikoleizik.

Auch bei der Auslegung der Bauteile sind neue Wege beschritten worden, erklärt Mikoleizik. In der Regel wird die Zähigkeit (Duktilität) eines Werkstoffes mit dem sogenannten Kerbschlagversuch getestet. Dabei wird ein kleines Stäbchen mit einer definierten Energie (oder Impuls) durchgeschlagen: Durch Verformung absorbiert das geprüfte Material eine bestimmte Menge der kinetischen Energie. Diese Fähigkeit, durch Verformung Schlagenergie aufzunehmen, ist die Kerbschlagarbeit. Mischkristallverfestigte Gusswerkstoffe schneiden bei diesem Test sehr schlecht ab.

„Die Kerbschlagarbeit liegt bei den duktilen Gusswerkstoffen, wie wir sie heute in der Windenergie einsetzen, bei etwa 12 Joule. Bei den legierten höherfesten Sorten und den mischkristallverfestigten fällt sie sehr schnell ab.“

Im Rahmen des Forschungsprojekts MEGAWind (lesen Sie hierzu die Serie über MEGAWind in GIESSEREI 9 und 10/2014), gefördert durch das  Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, hat Siempelkamp gemeinsam mit verschiedenen Projektpartnern ergänzend eine bruchmechanische Sicherheitsauslegung für SiWind durchgeführt und die dafür notwendigen Kennwerte ermittelt. Das Verfahren, das etwa bei der Auslegung von Flugzeugen oder Pipelines üblich ist, ist kostenintensiv und war für die Windenergiekonstrukteure neu. „Bei der bruchmechanischen Untersuchung haben wir gesehen, dass das neue Material zwar kleinere Kerbschlagwerte im Vergleich zu den alten Materialien zeigt, das aber zu keiner Verschlechterung bei den zyklischen oder schwingenden Bruchmechanikwerten führt. Je nachdem, welche Werte gemessen werden, sieht man, dass der Werkstoff sehr viel Potenzial hat“, erklärt der Ingenieur. Durch die Ergebnisse von MEGAWind konnte der Werkstoff zertifiziert werden. SiWind ist seit 2012 für den Einsatz im Offshore- und Onshore-Bereich zugelassen.

Der neue Werkstoff sei dabei preiswerter als die bisherigen Materialien, so Mikoleizik. „Wir haben die Festigkeitserhöhung erreicht, ohne zum Beispiel Chrom, Nickel oder ähnliche teure Legierungselemente einzusetzen.“

Entwicklungen mit SiWind laufen derzeit für Anlagen im Onshore-Bereich. Die Auftragslage für Offshore-WEA sei nach den aktuellen Änderungen der Einspeisevergütung und der Diskussion in der Politik um den Ausbau der Netze allerdings etwas unsicher. Trotzdem ist Mikoleizik optimistisch, Kunden für den neuen Werkstoff zu finden. „Die Entwicklungen und Konstruktionen laufen. Wir haben die ersten Kunden, die das Material perspektivisch einsetzen wollen. In den nächsten Jahren werden wir die ersten Anlagen mit dem neuen Werkstoff sehen. Das könnten dann auch schon Anlagen mit einer Leistung von 8 MW sein.“

Quelle: Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE)


 


 


 


 


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