Bis dahin waren jedoch einige technologische Hürden zu nehmen. Martin Kasperczyk sagt: »Vor allem die Auswertung der Datenflut war eine Herausforderung. Schließlich geht es darum, Ausfälle oder Pannen bei Maschinen mit hoher Zuverlässigkeit zu prognostizieren. Da genügt es nicht, ein paar Algorithmen zu programmieren.«
Bayes´sche Netze und Sensordaten
Die Experten setzen auf die Bayes´schen Netze. Das ist ein mathematisches Verfahren, mit dem sich die Wahrscheinlichkeit berechnen lässt, mit der ein bestimmtes Ereignis oder ein Zustand eintritt. Dabei werden mehrere Variablen und die mit ihnen verbundenen Wahrscheinlichkeiten miteinbezogen. Mithilfe der von den Sensoren gewonnenen Daten berechnet die Software etwa, wie wahrscheinlich es ist, dass ein bestimmtes stark beanspruchtes Kabel demnächst bricht, und meldet gegebenenfalls, dass es ausgetauscht werden muss.
Die SelSus-Software verlässt sich hierbei nicht allein auf Sensoren. Die technischen Eigenschaften der Maschine und ihre Leistungsparameter werden ebenso berücksichtigt. Diese Daten müssen bei der Installation und Konfiguration des Systems eingespeist werden. Zudem zeigt ein ausführlicher Probelauf dem System, wie die Anlage und ihre Komponenten sich im Dauerbetrieb und unter Belastung verhalten. Erst dann ist es bereit. Neue Daten, etwa durch Upgrades an den Maschinen oder auch durch verschleißbedingtes Nachlassen der Leistung registriert die Software ebenfalls und lernt auf diese Weise dazu.
Wie anspruchsvoll SelSus konzipiert ist, zeigt sich auch daran, dass die Software sogar mit dem Menschen interagiert. Sie analysiert die Ursachen eines drohenden oder existierenden Ausfalls und gibt Mitarbeitern passende Handlungsempfehlungen.
Anlage mit Selbstheilungskräften aus Coventry
Eine Anlage, die sich selbst wartet, hat Projektpartner Manufacturing Technology Centre aus dem britischen Coventry geschaffen. In einer Motorenproduktion ist ein Dispenser – ein Dosierer – mittels Vakuum an einem Roboterarm befestigt. Sollte der Dispenser an einen Widerstand stoßen, bricht dieser nicht ab, sondern reagiert flexibel. Er verliert seinen mittels Vakuum erzeugten Kraftschluss und fällt einige Zentimeter, bis Federn ihn stoppen. Anschließend ziehen die Federn den Dispenser wieder zurück in seine ursprüngliche Position. Eine anschließende Kalibrierung stellt sicher, dass sich das Werkzeug in der korrekten Position befindet – der Arbeitsprozess geht nach der kurzen Unterbrechung weiter.
Die Politik hat das Potenzial der Technologie längst erkannt. SelSus wird von der Euro-
päischen Kommission mit fast 5,4 Mio. Euro gefördert. Neben dem Fraunhofer IPA sind renommierte Industriepartner wie der Autobauer Ford, der Hausgerätehersteller Electro-lux, der Anbieter für Schweißlösungen HWH Hamburg oder der Automatisierungsspezialist IEF-Werner mit dabei. Auch Universitäten wie die Loughborough University und die Instituto de sistemas e Robotica oder ICT Provider wie Hugin Expert, Advanced Data Processing oder Inotec, nur um einige Partner zu nennen, sind beteiligt.