Offshore-Windanlagen auf hoher See werden aus zahlreichen Einzelteilen zusammengeschweißt. Bei der Entwicklung immer größerer und damit leistungsfähigerer Anlagen in Leichtbauweise sind jedoch diese Schweißnähte eine gewichtige Herausforderung. Daher prüft die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) spezielle Legierungen, die die Nähte stabilisieren und damit eine lange Lebensdauer der gesamten Anlage gewährleisten sollen.
Damit Windräder leistungsfähiger werden, müssen sie mit längeren Rotorblättern versehen werden. Gleichzeitig werden damit die Türme höher – auch, weil in oberen Luftschichten mehr und gleichbleibender Wind weht. Um die gigantischen Anlagen wirtschaftlich und technisch bauen zu können, ist in naher Zukunft der Wechsel auf eine Leichtbauweise mit modernen hochfesten Stählen ein Muss.
Je nach Konstruktionstyp werden bei heutigen Offshore-Anlagen bis zu 2000 Tonnen Stahl verbaut. Ein großer Teil davon wird für die Tragstrukturen eingesetzt, die unterhalb der Wasserlinie liegen. Bei einer konsequenten Errichtung in Leichtbauweise, d.h. mit hochfesten Stählen, ließen sich davon insgesamt bis zu 20 Prozent, also 400 Tonnen, einsparen.
Bislang waren hierbei die Schweißnähte eine Schwachstelle, was u.a. auch dazu führte, dass die entsprechenden Regelwerke eine Ausschöpfung der Möglichkeiten dieser Stähle beim Bau aus Sicherheitsgründen aktuell nicht zulassen.
Um die Größe und damit die Leistungsfähigkeit der Anlagen weiter zu verbessern, sind jedoch hochfeste Stähle unverzichtbar, zumal Konstruktionen aus herkömmlichen Stählen aufgrund ihres Eigengewichts schlicht zu schwer wären.
Windenergieanlagen sind, zumal auf See, müssen gewaltigen Belastungen von Wind und Wellen widerstehen, die das Material schwingend, d. h. zyklisch wechselnd, beanspruchen. „Gerade die Schwingfestigkeit moderner hochfester Stähle wird durch den Schweißvorgang eingeschränkt, weil dieser zu strukturellen Veränderungen im Material führt“, erklärt Arne Kromm, Experte für Schweißtechnik an der BAM. „Gleichzeitig werden diese Nähte während des Betriebs der Anlage am höchsten belastet.“
Zwar existieren bereits Methoden, Schweißnähte an besonders kritischen Stellen manuell nachzubessern. Doch die Verfahren sind personal- und zeitintensiv und entsprechend teuer.
Aus diesem Grund testet die BAM in einem Kooperationsprojekt innovative Schweißzusätze, die die Schweißnähte an den besonders kritischen Stellen ertüchtigen sollen. „Es handelt sich dabei um spezielle Legierungen. Sie bilden bei der Abkühlung eine Struktur aus, die die Eigenspannung im Material reduziert, so die Schweißnaht stabilisiert und ihre Schwingfestigkeit erhöht“, erklärt Arne Kromm.
Ziel ist es, die Industrie in die Lage zu versetzen, eine sichere Verarbeitung dieser speziellen Schweißzusätze vorzunehmen. Gleichzeitig sollen die Erkenntnisse in die entsprechenden Regelwerke aufgenommen werden, damit diese entsprechend angepasst werden können.
Wichtig sind die Projektergebnisse nicht nur für Windenergieanlagen, sondern allgemein für den Maschinen-, Automobil- und Stahlbau, um das große Leichtbaupotenzial hochfester Stähle voll abrufen zu können. Nicht zuletzt auch für die großen Spezialkräne, die benötigt werden, um noch gigantischere Windenergieanlagen errichten zu können.
Das Projekt, an dem auch das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik (IWM) und die Forschungsvereinigung des Deutschen Verbands für Schweißen und verwandte Verfahren (DVS) beteiligt sind, wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen eines Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) gefördert.